Die Antwort von Botschafter Hasan Göğüş auf den Zeitungsartikel "Türken kehren EU zunehmend den Rücken" (Wirtschaftsblatt)

Viyana Büyükelçiliği 03.03.2015

Sehr geehrte Frau Komarek,

Ich habe den am 24. Februar 2015 in Ihrer Zeitung veröffentlichten Artikel mit dem Titel „Türken kehren EU zunehmend den Rücken“ mit Interesse gelesen.

Natürlich beeinflussen die in solchen Umfragen an die Teilnehmer gestellten und auf eine bestimmte Antwort lenkenden Fragen auch die Ergebnisse. Obgleich ich nicht weiß, welche Fragen in der bezuggenommenen Eurobarometer Umfrage gestellt wurden, finde ich es falsch, aus dem Umfrageergebnis ein Abwenden der Türken von der EU abzuleiten.

Während im Rahmen der in der Türkei durchgeführten Umfragen bei der Fragestellung „Unterstützen Sie die EU-Mitgliedschaft?“ der Anteil der positiven Antworten mit Ende des Vorjahres bei rund 60% lag, sinkt dieser Anteil signifikant, wenn man die Frage „Glauben Sie, dass die Türkei EU-Mitglied werden kann?“ stellt. Mit anderen Worten gesagt, ist in der letzten Zeit nicht die EU-Befürwortung des türkischen Volkes gesunken, sondern der Glaube daran, dass man Mitglied werden kann, ist aus Gründen, die Sie vermuten können, deutlich schwächer geworden.

Um die Enttäuschung des türkischen Volkes bezüglich der EU zu verstehen, muss das Thema in die historische Perspektive gerückt werden. Die Türkei lässt man seit mehr als einem halben Jahrhundert an der Tür der EU warten. Gibt es ein weiteres Land, dessen Mitgliedschaftsprozess so lange dauert? Die Beziehungen der Türkei mit der Union reichen weiter zurück als die der meisten jetzigen EU-Mitgliedsländer. Jedoch ist der zurückgelegte Weg bei den Beitrittsverhandlungen in der vergangenen Zeit besorgniserregend.

Seit Beginn der Verhandlungen 2005 sind 14 Kapitel eröffnet und lediglich ein Kapitel vorübergehend geschlossen worden. 17 Kapitel sind ausschließlich aus politischen Gründen blockiert. Selbst die Kapitel 23 und 24, die die derzeit von der EU bevorzugt behandelten Themen wie Grundrechte, Justiz und Freiheiten enthalten und weswegen die Türkeiin der letzten Zeitkritisiert wurde, sind noch immer nicht eröffnet worden. Desgleichen werden die Kapitel 15 und 31 über Energie und Sicherheit, in denen die Türkei vor allem bei der derzeitigen Konjunktur einen wichtigen Mehrwert für die EU leisten kann, durch ein einziges Mitglied verhindert.

Das türkische Volk hat natürlich aufgrund dieser diskriminierenden Behandlung, der bisher kein einziger Beitrittskandidat ausgesetzt war, begonnen, seinen Glauben zu verlieren. Staatsbürger aller Beitrittskandidaten, außer der Türkei, können ohne Visum in die EU einreisen. Die türkischen Staatsbürger müssen jedoch tagelang wegen eines Visums Schlange stehen. Ein weiterer Grund für die Enttäuschung ist die Beendigung der Praxis seit dem Jahre 2004, die Türkei zu den EU Gipfeln als Beitrittsland einzuladen.

Trotz all dieser negativen Ereignisse war die EU-Mitgliedschaft ein strategisches Ziel aller Regierungen der Republik Türkei und wird es auch weiterhin bleiben. Die Frage, die hier gestellt werden muss, ist, ob sich die Türkei von der EU entfernt oder die EU von der Türkei.

Hasan GÖĞÜŞ

Botschafter der Republik Türkei


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